Kieler Woche 2020

Natürlich mit Regen- nur noch kälter als sonst.
Nun sitze ich hier im Dezember mit Tee und Keksen am Rechner und versuche mich an die Kieler Woche zu erinnern:

Die Kieler Woche beginnt für uns im August mit der nennen wir es „Planung“. Da das Boot Jahre nicht bewegt wurde, stellt sich die Frage: Wie siffig ist es, wo sind die Segel, geht der Motor noch, wer hat Zeit es zu putzen, woher kommt ein Auto, wie schlafen wir, haben wir Geschirr und wer hat überhaupt Zeit zu segeln.

Eigentlich sind wir so gar nicht auf die Kieler Woche vorbereitet, aber wir sind heiß drauf. Zu Lange haben uns die Corona-Beschränkungen davon abgehalten Segeln zu gehen. Also würfeln wir eine Crew zusammen, in einer Konstellation die noch nie zusammen gesegelt ist, eine von uns noch nicht einmal J24, es gilt: dabei sein ist alles. Der Gruppenchat eskaliert schnell, niemand blickt mehr durch wer wann in welchem Auto nach Kiel fährt und wo das Boot dabei bleibt. Alles ist also wie immer.

Mittlerweile ist es Montag Abend, am Freitag soll es nach Kiel gehen, die Jungs sind am Boot im Schulgartenweg, da kommt im Chat die Frage „Welche Tierart baut denn so?“ Es stellt sich raus, dass es sich Wespen mit fünf Nestern über den Sommer in der Luv gemütlich gemacht haben. Während noch über Kammerjäger und die Nutzung anderer Boote diskutiert wird kommt aber auch schon die Nachricht, dass die Jungs das mit einer „Sicherheitsbadehose“ bekleidet selbst erledigt haben- Bravo! Nun steht dem Ritt nach Kiel nichts mehr im Wege.
Clara und Tom bringen das Boot am Freitag hoch, es wird gekärchert, poliert, gekrant und aufgebaut, alles mit Maske auf versteht sich.

Denn diese Kieler Woche ist anders als alle vorherigen. Nicht nur, dass sie aufgrund der Pandemie Anfang September stattfand, es gelten auch strenge Regeln auf dem Gelände. Jeder Bootsklasse wurde ein Gebiet zugeteilt zu der die Teilnehmer Zutritt haben, Maskenpflicht auf dem kompletten Gelände und keinen Zutritt ohne den Teilnehmerpass mit den ausgewiesen Gebieten die betreten werden dürfen. Weiterhin war es nicht erlaubt, den Hafen ohne zugewiesenes Signal zu
verlassen oder von der Bahn aus frühzeitig einzulaufen, zusätzlich gab es fest
zugewiesene Bereiche in denen die Boote zu liegen hatten. Bei nicht einhalten wurden Prozentstrafen angedroht, somit war ein Training vor den Regatten nicht möglich.

Es ist Sonnabend es kann losgehen, wir schlafen erstmal aus – da der erste Start des
Tages um 14:00 Uhr stattfinden soll, dürfen wir uns um 13:00 Uhr auf dem Weg zur Bahn Charlie machen. Der Motor springt beim ersten Versuch an, er schnurrt wie ein Kätzchen, es ist ein wunder! Es sind 19kn Wind angesagt und wir bekommen sie auch, schnell merken wir nachdem wir um die Landspitze bei Strande gesegelt sind, dass wir eine Genua nicht halten würden und entscheiden uns für die Fock. Das Feld ist geteilter Ansicht, einige wagen den Start mit der Genua. Die Entscheidung für die Fock war für uns die richtige, so konnten wir das erste Rennen mit einem 7. Platz beenden. Für die gemischte Crew schonmal sehr gut, aber es ging noch mehr und so konnten wir mit einem Sieg im zweiten Rennen anschließen und den Tag mit einem weiteren 7. Platz durchgeregnet und fierend beenden.

Diese gemischte Reihe bescherte uns am folgenden Tag die hübschen pinken Leibchen, die die Jungs nur widerwillig anziehen. Mit einem dritten Platz in den Gesamtwertung segeln wir zur Bahn Delta, die direkt vor den Toren des Hafens ausgelegt wurde. Mit deutlich mehr Zeit zum Einsegeln, hoffen wir unser Ergebnis verteidigen zu können. Dies gelingt uns bei mäßigen Winden leider nicht, so belegen wir die Plätze 8 und 10 und im letzten Rennen bei flauem Wind sogar nur unseren Streicher den 15. Platz. Diese dritte Wettfahrt des Tages sollte auch die letzte bleiben, nachdem wir gefühlt noch Stundenlang im Regen auf den angesagten aber nicht kommenden Winddreher mit Wind warteten. Als das Signal zum Abbruch kommt, wollen natürlich alle nur noch schnell ins Trockene, der Motor springt an, knattert los – und hat einen Kolbenfresser, wäre ja auch zu schön gewesen wenn er die ganze Kieler Woche durchgehalten hätte. Frühzeitig im Hafen gibt es endlich keinen Druck noch schnell im hellen kochen zu müssen und so war es möglich eine Dusche ohne Hektik vor dem Abendessen zu genießen.

Tag Drei Bahn Charlie: ich entnehme der Ergebnisliste bei manage2sail, dass wir eine Serie von 8, 2 und 5 hingelegt haben, bis auf unser offensives Tonnenmanöver an der Luvtonne in der ersten Wettfahrt, das uns eine 30% Strafe gekostet hat, habe ich keine Erinnerung an den Tag. Warum kann ich mich nicht erinnern? Ich weiß es nicht, Partys gab es diese Woche schließlich nicht, noch nie waren die Crews so früh im Bett, was zum einen den Kontaktbeschränkungen, zum anderen der Dunkelheit und Kälte am Abend zu verdanken ist.

Der letzte Tag beginnt wieder auf der Bahn Delta. Bei ordentlich Druck im ersten Rennen kacheln uns zwei Boote an der Luvtonne vorn Bug, wir ziehen die Protestflagge zu spät, sodass unser Protest abgelehnt wird, damit versemmeln wir uns die Chance auf einen dritten Platz in der Gesamtwertung und einen Platz auf dem Podest. Dieser Fehler wird uns sicherlich nie wieder passieren.

Im letzten Rennen folgt eine weitere Fehlentscheidung gegen die Fock, unsere Kräfte sind am Ende, die Stimmung ist im Keller (wir haben die Verpflegung auf dem Campingplatz vergessen) und wir beenden die Kieler Woche mit einem 9. Platz im letzten Rennen und einem schmerzlichen 5. Platz von 18 Booten in der Gesamtwertung. Für die Konstellation der Crew und ohne Training trotzdem zufriedenstellend. Nach dem Kranen und Abbau der Boote lassen die Kieler Woche mit Pizza to go in der Abendsonne ausklingen.

Abschließend sei gesagt, es ist toll wie die Organisatoren der Kieler Woche gezeigt haben, dass so eine große Sportveranstaltung mit dem richtigen Hygienekonzept während einer Pandemie stattfinden kann. Der einzige Wermutstropfen sind die nach wie vor unhygienischen Bedingungen zum Abwaschen mit kaltem Wasser auf dem Campingplatz, da hatte ich wirklich ein Update erwartet.

– Luise Boehlich

(Jette Lyssewski)

(Luise Boehlich)

(Luise Boehlich)